Aktuelle Erklärung zum Studienkürzel dsd-LIFE

Als wir dieses europäischen Forschungsprojekt beantragten, bezeichneten wir es mit dem Kürzel "dsd-LIFE". Dieses Studienkürzel nimmt Bezug auf die medizinische Abkürzung DSD (englisch: “disorders of sex development” deutsch: "Störungen der Geschlechtsentwicklung") die in der Konsensuskonferenz in Chicago 2006 eingeführt wurde1. Der Begriff umfasst eine Reihe von medizinischen Diagnosen, bei denen durch hormonelle, gonadale oder chromosomale Veränderungen die geschlechtliche Entwicklung beeinflusst wird. In der frühen Phase des Projekts wurden wir umfassend von Interessensvertretern und Selbsthilfegruppen der Diagnosegruppen AIS, AGS, Klinefelter Syndrom, Transgender und Turner-Syndrom beraten2.

Wir führten in der Vorbereitungsphase der Studie eine Umfrage durch, um zu erfahren, welche allgemeinen und ethischen Fragen nach Meinung der verschiedenen Gruppen in der Studie untersucht werden sollten. Wir erhielten 36 Antworten auf diese Umfrage. Dadurch und durch die persönliche Kommunikation mit den Selbsthilfegruppen erfuhren wir, dass die Abkürzung dsd-LIFE zu Missverständnissen bezüglich des Ziels unserer Studie führen kann. Einige Betroffene und Selbsthilfegruppen möchten nicht, dass die Bezeichnung „DSD“ für Ihre Diagnose verwendet wird. Dabei wird oft der Begriff „Störung“ im Überbegriff „Störung der Geschlechtsentwicklung“ als pathologisierend genannt. Eine betroffene Person sagte: "die Verwendung von Begriffen wie „Störung“ versetzt einen sofort außerhalb des Normalen und ist stigmatisierend!".

Ein weiteres Ergebnis der Umfrage war, dass Betroffene die medizinische Bezeichnung für ihre spezielle Diagnose akzeptieren, aber den Überbegriff „DSD“ dafür ablehnen, da sie sich damit nicht identifizieren können. Da uns die Meinungen der Betroffenen und ihre Teilnahme an der Studie äußerst wichtig sind, entschlossen wir uns nach ausgiebigen Diskussionen zu einer Änderung des Studienkürzels. Wir wurden jedoch mit erhebliche technischen (Webdomain) und vertraglichen (EU Verwaltung) Problemen konfrontiert, die eine Änderung des Studienkürzel nicht zuließen. Wir möchten nun die Frage der Terminologie (medizinische Bezeichnung) durch unsere Studie nochmals thematisieren. Wir wissen um die Vielfalt der Diagnosen, die unter dem Überbegriff DSD zusammengefasst werden und die Schwierigkeiten, die durch der Verwendung des Begriffs entstehen. Wir hoffen, dass die Ergebnisse der Studie weitere Debatten über eine Änderung der Terminologie anregen und zu einer Verbesserung führen.

 

[1] Hughes et al. 2006: Consensus Statement on Management of Intersex Disorders

[2] AGS-Initiative (Germany); AISSG (UK and European sister groups); CAH patient organisation (Netherlands); DSDNederland (Netherlands); GrApSIA (Spain); INIS (Sweden); Intersexuelle Menschen (Germany); ISSA (Southafrica); Klinefelter’s Syndrome Association (UK); Selbsthilfe Intersexualität (Switzerland); Transgender Luxembourg (Luxembourg); XY-Frauen und XY-Eltern (Germany)